An der Sonnenseite des Lebens

03.08.2020

Wien war vormals, zumindest als Marke, anders; in Kärnten hieß es lange "Urlaub bei Freunden", danach "Lust aufs Leben", heute "It´s my life"; Salzburg firmierte jahrelang unter der der Dachmarke "Salzburg - feel the inspiration!".

Das Burgenland huldigt dem Slogan "Die Sonnenseite des Lebens"; in die Sprache der "Werbung Burgenland" (Fachgruppe Werbung & Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Burgendland) übersetzt bedeutet das: "Je kleiner das Land, desto größer muss man denken".

Das bundesland-burgenländische Marketing bemüht dabei sogar eine Aussage des amerikanischen Grafikdesigners Perutz Rosenbaum (der Öffentlichkeit unter Paul Rand bekannt): "Design is so simple, that´s why it´s so complicated"

Frei - ins Burgenländische - übersetzt könnte das auch heißen: Die so einfache Form der äußeren Erscheinung ist der Grund dafür, dass sie hintergründig dennoch so komplex sein kann.

Diese Übersetzung haben sich scheinbar die Verantwortlichen der Commerzialbank Mattersburg im Burgenland Aktiengesellschaft zu Nutze gemacht. Zwar behängt beim Landesgericht Eisenstadt zu 26 S 44/20b derzeit ein Konkursverfahren; von dieser kleinen "Lappalie" abgesehen gab es, vor dem Hintergrund dieser (weiteren) Bankenpleite, zumindest auf den ersten Blick hin, neben vielen Verlierern wohl auch einige Profiteure.

Im Firmenkonglomerat rund um die auch medial "geschlachtete" Regionalbank aus dem östlichsten und einwohnermäßig kleinsten Bundesland der Republik, wird an erster Stelle der (bisherigen) Nutznießer, vor allen anderen potenziell Begünstigten, die Sportvereinigung Mattersburg genannt, ein Fußballverein, der seit 2015 in Österreichs oberster Fußballiga, wenn auch keine große, so doch eine (mit-) spielende Rolle innehat bzw. innegehabt hat.

Der Aufstieg dieses Fußballvereins von der zweiten burgenländischen Liga Mitte in die österreichische Bundesliga war dabei untrennbar mit dem Namen Martin Pucher verbunden, einem ehemaligen Bankier und Fußballmanager; dazu war Martin Pucher auch (noch), für ca. drei Jahre, Präsident der österreichischen Fußball-Bundesliga.

Nun wurde über die von Pucher gegründete Commerzialbank Mattersburg im Burgenland Aktiengesellschaft das Konkursverfahren eröffnet; die Spielvereinigung Mattersburg steht vor kaum lösbaren finanziellen Problemen.

Ein komplexes Konstrukt im Hintergrund von Bank und Spielvereinigung soll nahezu Unfassbares ermöglicht haben, hat, im Nachhinein erst nach und nach zu Rekonstruierendes, den Augen der zahlreichen Kontrollinstanzen etwas als offensichtlich unsichtbar erscheinen lassen, was bank- und vereinsintern längst als "übliche Geschäftsgebarung" bezeichnet werden konnte. Für dieses finanzielle Debakel gibt es dem Anschein nach nicht einmal eine Hand voll Verantwortliche, unter denen sich aber jedenfalls auch Martin Pucher befinden soll.

Das Bundesministerium für Finanzen, das Bundesministerium für Justiz, die Österreichische Nationalbank, die Österreichische Finanzmarktaufsicht, die Staatsanwaltschaft Eisenstadt, das Bundesland Burgenland, der Aufsichtsrat der nunmehrigen Gemeinschuldnerin, auftragsgemäß tätig gewordenen Steuerberater & Wirtschaftsprüfer - niemand will etwas wahrgenommen haben; auch der österreichischen Bundesliga ist im Rahmen des verbandsinternen "Lizensierungsverfahrens" offenbar nichts aufgefallen.

Man muss an dieser Stelle erst gar nicht die drei Affen des Kungfutse ("nichts sehen, nichts hören, nichts sagen") um Rat befragen; es ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass die Verantwortlichen der im letzten Absatz genannten, für die Aufsicht bzw. Prüfung zuständigen, Institutionen tatsächlich weder etwas Inkriminierendes gesehen haben, noch rechtlich mit Strafe Bedrohtes zu Ohren gekommen ist. Daher können sie - logischer- wie konsequenterweise - dazu auch nichts sagen.

Von "positiver Kenntnis", Kennenmüssen der Malversationen, gar bloßen Verdachtsmomenten, kann man folglich nicht ausgehen; frei nach dem Motto: "Keiner hat´s getan und Niemand hat´s gesehen". Der in Österreich übliche Umgang mit solchen - von allen Seiten als völlig überraschend bezeichneten - "Ereignissen" fügt sich nahtlos in die solcherart durchaus bewährte Konfliktbewältigungsstrategie ein. Man hat (zumindest) einen Schuldigen, den man, auch wenn er jahrzehntelang als "Saubermann", vorbildlich-erfolgreicher Unternehmer und vertrauenswürdiger Funktionär gegolten hat, der Öffentlichkeit präsentieren, opfern, für (fast) alles verantwortlich machen kann.

Missstände in Ministerien, staatlichen Kontrollorganen, namhaften Wirtschaftsprüfungskanzleien oder Fußballsportverbänden gab und gibt es nicht; es kann nicht sein, was nicht sein darf. Alles andere würde der Argumentationslinie der Vertreter der zuvor beschriebenen Strategie im Umgang mit medialen Vorhaltungen widersprechen.

Daher wird auch dieses Kapitel, das dem imaginären Buch der österreichischen Wirtschaftskriminalität (Untertitel: Betrug am und im Sport) entnommen sein könnte, durchaus erfreulich enden. Der mutmaßliche Täter ist gefasst; im für die Aufsicht zuständigen Umfeld ist alles in Ordnung, die Kontrollmechanismen haben zur Dinghaftmachung des / der Verantwortlichen geführt oder zumindest beigetragen.

Für Martin Pucher gilt jedenfalls schon vor Beginn eines drohenden Strafverfahrens die Schuldvermutung, für alle anderen hingegen das rechtsstaatliche Prinzip der Unschuldsvermutung.

Dieser "Anlassfall" veranschaulicht darüber hinaus äußerst signifikant die damit verbundenen Geräusche an einigen Nebenfronten, die man durchaus als einen wesentlichen Teil der so erfolgreichen Konfliktbewältigungsstrategie, damit als "part oft he game", bezeichnen darf.

In solchen Fällen ist es üblich, dass sich Politiker aller Couleur, im Stil wichtigtuerischen sich zu Wort melden Müssens, medienwirksam mit sinnentfremdeten Wortspenden einstellen, die nur dazu beitragen, vom eigenen Unvermögen bzw. von Fragen abzulenken, die sinnstiftend zu einer Antwort auf die Frage beitragen könnten, inwiefern oder warum in Österreich Sport & Politik symbiotisch verbunden sein müssen. Aktive wie ehemalige Politiker dominieren, spinnengleich, das flächendeckende Netz der großen österreichischen Sportverbände.

Die Wortspenden im Fall "Commerzialbank Mattersburg" sind dabei an Kuriosität und inhaltlicher Unrichtigkeit (um das Wort Dummheit zu vermeiden) nur schwer zu überbieten.

So meint der stimmgewaltige, in alle (politischen) Richtungen hin austeilende, Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, eine Amtshaftungsklage des Bundeslandes Burgenland (in seiner Funktion als Revisionsverband und gleichsam als "Aufsichtsbehörde" der Mehrheitseigentümerin (Personalkredit- und Kommerzialkreditvermittlungs- und Anteilsverwaltungsgenossenschaft Schattendorf-Zemendorf-Stöttera-Krensdorf-Hirm-Loipersbach-Draßburg-Baumgarten registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung) der Commerzialbank Mattersburg gegen die Republik Österreich habe "sicherlich eine sehr gute Aussicht auf Erfolg"; Privatpersonen rät er, die Klage des Burgenlandes abzuwarten: "Wenn der Beklagte, die öffentliche Hand vertreten durch die Finanzprokuratur, auf eine Verjährung verzichtet, dann gilt die Klage für alle Beteiligten".

Die Antwort darauf, woraus er (Doskozil) die guten Aussichten auf einen Prozesserfolg ableitet, lässt der selbstherrliche Landeshauptmann offen; er hat zwar, dem Vernehmen nach, ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften hinter sich, dafür aber scheinbar sehr wenig Sinn für realitätsnahe Prozessprognosen. Dieselbe Realitätsfremde gilt für den "Ratschlag" an Privatpersonen: Auf eine Verjährung kann selbst die "öffentliche Hand" (die übrigens gar nicht Prozesspartei sein kann) nicht verzichten, eine Klage des Burgenlandes gilt jedenfalls nicht für "alle Beteiligten"; vor allem: Wer sind "alle Beteiligten"? - so viel zur Ernsthaftigkeit politischen An- oder Aussagen

Für Doskozil bestünde (nicht nur einem Artikel von Thomas Orovits im Kurier vom 24.07.2020 zufolge) Aufklärungsbedarf darüber, wer im Burgenland für die Aufsicht über die Mehrheitseigentümerin der Commerzialbank Mattersburg politisch verantwortlich war, warum diese - zumindest dem ersten Anschein nach - nicht funktioniert hat, welche Meinung die "Aufsichtsbehörde" des Landes zu allfälligen Schadenersatzansprüchen ihr selbst gegenüber vertritt. Mit solchen, zugegeben lästigen, Fragen hat sich Doskozil scheinbar noch nicht beschäftigt.

Doskozil hat es bislang auch nicht der Mühe wert gefunden, das Verhältnis des von ihm regierten Bundeslandes bzw. dessen ausgelagerter Gesellschaften (z.B. Regionalmanagement Burgenland Gesellschaft m.b.H.) zur Commerzialbank Mattersburg zu erklären.


Eine nicht minder fragwürdige Rolle spielen in diesem gesamten Gefüge wieder einmal der österreichischer Fußballbund und die österreichische Bundesliga. Auch hier will man von Versäumnissen in den eigenen Reihen nichts wissen. Gefälschte Sponsorenverträge sind im bundesligainternen Lizensierungsverfahren offenbar nicht aufgefallen; es stellt sich die Frage, inwiefern man die von den Vereinen beigebrachten Unterlagen überprüft, deren Glaubwürdigkeit hinterfragt oder ob man sich an die "Bestätigungsvermerke" der von den Bundesligavereinen selbst beauftragten Wirtschaftsprüfer ganz einfach (vollkommen unreflektiert) verlassen hat.

Klar ist aber zumindest, dass aufgrund der zu Tage getretenen "Unregelmäßigkeiten" die Sportvereinigung Mattersburg mehrfach gegen Lizensierungsbestimmungen der Bundesliga verstoßen hat (vgl. dazu u.a. Kapitel 10 des Lizensierungshandbuches). Das hätte - zumindest für rational denkende Menschen - den sofortigen Entzug der Berechtigung zur Teilnahme an der kommenden Spielsaison in der Bundesliga zur Folge haben müssen.

Nicht so in Österreich: Hier leitet die Bundesliga ein Ermittlungsverfahren ein, das dazu führten kann, dass mit einer endgültigen Entscheidung in diesem Verfahren erst im Verlauf, sohin während(!), der Spielsaison 2020/2021 zu rechnen ist. Ganz offen und für jedermann ersichtlich ist damit, dass ÖFB und Bundesliga aus der "Causa LASK" absolut nichts gelernt haben, es - im Gegenteil und wie zum Trotz - noch weiter an die Spitze des Unerträglichen treiben. Pragmatismus ist den zuständigen Gremien im heimischen Fußballgeschehen vollkommen fremd; auch das verbindet sie mit dem Verhalten von vielen, selbst ernannten, "Spitzen"-Politikern.

Damit schließt sich der Kreis: Wer sich mit solchen Banalitäten beschäftigen kann, befindet sich zweifelsfrei und immer noch an der "Sonnenseite des Lebens".

Chr. Brugger

03.08.2020