An alle Österreicherinnen und Österreicher
Angesichts der momentanen politischen wie pandemischen Situation in unserem Land sind wir nicht nur im Kollektiv gefordert, vielmehr jeder Einzelne; unabhängig davon, wer er ist oder sein mag, unabhängig davon, was und ob er arbeitet, unabhängig davon, ob er Politiker, Angestellter, obdachlos oder Spitzensportler ist.
Jetzt, wenn es nicht wieder einmal zu spät sein soll, sind wir alle, jeder einzelne von uns, gefordert.
Jetzt, wo in unseren Krankenhäusern die Menschen reihenweise sterben, zu befürchten ist, dass die medizinische Versorgung in absehbarer Zeit nicht mehr gewährleistet werden kann, ist der Punkt erreicht, an dem wir uns - im Kollektiv - nicht mehr auf politische Entscheidungsträger verlassen dürfen, darauf hoffen können, der Tag sein nahe, an dem wird die Pandemie überwunden haben und zu unserem "alten" Leben zurückkehren könnten.
Dass die politisch Verantwortlichen in den letzten 1 ½ Jahren sehr viel falsch gemacht haben, liegt auf der Hand, ist vollkommen klar. Auf diese Menschen mit dem Finger zu zeigen, ihnen vorzuwerfen, was klar ersichtlich ist, sie an den Pranger zu stellen, ihnen Versagen vorzuwerfen ... all das wäre unser gutes Recht.
Wir sollten aber auch erkennen und wissen, dass wir mit solchen Vorwürfen nichts zum Besseren verändern.
Ich selbst habe in den letzten Monaten nichts unversucht gelassen, gegen Bundeskanzler, Minister und sonstigen Entscheidungsträger anzuschreiben, sie ins Lächerliche zu ziehen und in ihnen die Schuldigen zu sehen.
Geändert hat das allerdings nichts - die Situation ist, wie sie heute, am 19.11.2021, ist.
Die Politiker wissen selbst, dessen bin ich mir sicher, dass sie ein entsprechendes Maß an Mitverantwortung zu übernehmen haben.
Daher meine Aufforderung:
Lassen wir es alle miteinander, unseren Ärger, unseren Frust, unseren Hass auf all diejenigen, die, von unserem Standpunkt aus betrachtet, für die momentane Situation mitverantwortlich sind, zu konzentrieren.
Jetzt ist die Zeit gekommen, in der wir, alle gemeinsam, Verantwortung übernehmen müssen; unabhängig von politischer Gesinnung, unabhängig davon, wer wir sind und was wir arbeiten, unabhängig davon, wie es uns geht und was wir empfinden, unabhängig davon, ob wir Weihnachten möglicherweise so verbringen müssen, wie wir es eigentlich nicht wollen.
Jeder von uns kann seinen Beitrag leisten: Wir, die Bevölkerung, dadurch, dass wir uns - ob wir wollen oder nicht - impfen lassen, das geringe Risiko in Kauf nehmen, ein paar Tage an Müdigkeit oder leichten Schmerzen zu leiden.
Wir, die Bevölkerung, dadurch, dass wir in den nächsten Wochen den Kontakt mit all denen meiden, die wir in ein paar Wochen ohnedies wieder problemlos und frei von irgendwelchen Vorgaben treffen können.
Wir, die Bevölkerung, dadurch, dass wir unser Verhalten, was das Ausdrücken von Unmut, Wut oder Unverständnis speziell gegenüber Politikern betrifft, einstellen, nicht mehr an Demonstrationen teilnehmen, die weder etwas bringen noch irgendjemandem helfen.
Was für uns gilt, gilt natürlich auch für all diejenigen, die bislang nichts unversucht gelassen haben, vor allem Politiker in einem schlechten Licht darstellen zu können. An dieser Stelle mögen sich vor allem alle Medien (Tageszeitungen, Fernsehsender etc.) angesprochen fühlen, die die Pandemie, die Notlage unseres Heimatlandes, u.a. dafür verwendet haben, entsprechende Auflagen und Quoten zu erzielen.
Es ist momentan nicht die Zeit, sich über Politiker lustig zu machen, sie jeden Tag vorzuführen oder in Misskredit zu bringen.
Leisten Sie Ihren Beitrag dadurch, dass sie ihre effektheischenden Botschaften reduzieren bzw. einstellen, sachlich angemessen darüber berichten bzw. darüber schreiben, was tatsächlich geschieht.
Sie schaden uns, der Bevölkerung, allein schon dadurch, dass Sie anhaltend, den ganzen Tag lang, "Breaking News" ankündigen, oft nur mutmaßen und dadurch zur kollektiven Verunsicherung beitragen.
Wenn die Pandemie vorbei ist bzw. wir die Pandemie so weit im Griff haben, dass wir wieder an ein einigermaßen normales Leben denken können, kommt für Sie wieder die Zeit, in der Sie das tun können, was momentan niemandem hilft, nur schadet.
Berichten Sie nicht über "Leichen, die nicht mehr entsorgt werden können", sondern darüber, was den Menschen Hoffnung signalisiert und zum Durchhalten bewegt. Interviewen Sie nicht fragwürdige Pessimisten oder notorische Besserwisser, sondern Menschen, die wissen wovon sie reden und nicht sinnlos, tagtäglich, über Bundeskanzler & Co herfallen, sich über Landeshauptleute lustig machen.
Berichten Sie objektiv, angemessen und vernunftgesteuert. Mutmaßen Sie nicht, sondern halten Sie sich an Fakten.
Was für uns und die "Medienwelt" gilt, gilt natürlich auch für all diejenigen, die die Verantwortung für alle politischen Entscheidungen zu übernehmen haben, die Politiker.
Mir ist vollkommen klar, dass es für diese Menschen nicht einfach ist, Fehler einzugestehen oder zuzugeben, Fehleinschätzungen so zu korrigieren, damit es ihrem Image nicht ja schadet.
Wann, wenn nicht jetzt, könnte die Zeit günstiger sein, sich hinzustellen und zu sagen: Ja, wir haben einiges falsch gemacht; ja, wir sind euch vieles von dem schuldig geblieben, was wir euch versprochen haben; ja, es ist richtig, dass wir für die Situation, so wie sie ist und sich darstellt, mitverantwortlich sind. Und: Ja, es tun uns leid, was wir mit unserem Zaudern und Zögern bewirkt und uns allem damit angetan angetan haben.
Wir, die Bevölkerung, werden Ihnen verzeihen bzw. nachsehen, was geschehen ist oder unterlassen wurde. Das setzt aber Einsicht, damit verbundene Demut voraus. Auch Sie haben Ihren Beitrag zu leisten:
Übernehmen Sie Verantwortung für die momentane Situation, indem Sie außer Streit und klarstellen, dass auch Sie ihren Beitrag zur momentanen Situation geleistet haben.
Kommunizieren bzw. kommentieren Sie mögliche Entscheidungen nicht im Vorfeld von angekündigten Pressekonferenzen, Sitzungen, Ministerräten und sonstigen Zusammenkünften. Damit verunsichern Sie uns, die Bevölkerung, öffnen weiteren Spekulationen Tür und Tor, befeuern die medialen Mutmaßungen.
Entscheiden sie wohlüberlegt, rasch, nachvollziehbar und unmissverständlich. Stellen Sie sich nicht hin und weisen, wem auch immer, Schuld zu.
Mäßigen Sie Ihre Diktion und tragen Sie nicht innerparteiliche Konflikte oder unterschiedliche Ansichten innerhalb von Koalitionen in der Öffentlichkeit aus.
Nehmen Sie sich ein Beispiel an einem Landeshauptmann aus dem Südosten des Landes, der Anlass bzw. Grund genug hätte, sich einer einheitlichen Linie zu widersetzen: Signalisieren sie Geschlossenheit und Solidarität - losgelöst von persönlichen oder parteipolitischen Befindlichkeiten.
Sie, - und damit bin ich auch schon am Ende - die Politiker werden den ersten Schritt machen müssen; wenn Sie das nicht tun, nicht bereit sind, klar und unmissverständlich (Mit-) Verantwortung zu übernehmen, Fehler einzugestehen und so zu handeln, wie man sich das von Ihnen erwarten kann, werden Sie auch dieses Mal, egal was Sie tun und wofür Sie sich entscheiden, nichts zum Besseren bewegen.
Ab jetzt, ab heute, ist nicht die Zeit, sich hinter irgendwelchen Botschaften, vagen Ankündigungen, fragwürdigen Halbwahrheiten zu verstecken: Jetzt ist die Zeit für Frauen und Männer, die wissen was sie tun und sich ihrer Verantwortung bewusst sind, sich ihr stellen und ihr gerecht werden.
Wir, die Bevölkerung, werden Sie nur dann unterstützen und nur dann unseren Beitrag leisten, wenn Sie "liefern", wir nicht tagein tagaus mit sinnlosen Meldungen überflutet werden und man uns nachvollziehbar erklärt, warum wir uns ab heute so oder so verhalten sollen. Gelingt das nicht, werden weder die Impfquoten ansteigen noch die Proteste enden.
Wenn es nicht gelingt, dass wir alle und jetzt unseren Beitrag leisten, werden wir etwas erleben, woran bislang niemand von uns zu denken gewagt hat.
Chr. Brugger
19.11.2021