AHS – Matura 2021

13.01.2021

Das Corona-Virus, neuerdings in mutierenden Ausartungen, hält das ganze Land weiterhin fest im Griff; Gastronomie, Hotellerie, den größten Teil des Handels, die Menschen an sich; Ausgangsbeschränkungen, das weitgehende Verbot sozialer Kontakte, Abstandsregeln, Schutzmaskenpflicht ...

Seit nahezu 10 Monaten gibt es, mehr oder weniger, vor allem für die AHS-Oberstufe nahezu keinen Präsenzunterricht - Fernunterricht (sog. "Distance Learning") heißt das Gebot der Stunde. Dazu gibt es vom zuständigen Bundesministerium einen "8-Punkte-Plan", eine Roadmap (incl. "Milestones"), deren zeitlicher Horizont 2024 erreicht sein soll ("Digitales Lernen ist in allen Schulen gut vernetzt"). Ein Jahr davor (2023) soll die IT-Infrastruktur an Bundesschulen flächendeckend die Rahmenbedingungen für digital unterstützten Unterricht erfüllen (https://digitaleschule.gv.at).

"Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube" schrieb Goethe in der Tragödie erster Teil; dieses Zitat zu veri- oder falsifizieren wird Aufgabe des am Ende des Jahres 2024 zuständigen Bundesministers sein.

Für diejenigen Schüler, die im Mai 2021 maturieren werden, spielen all diese Überlegungen keine Rolle mehr; sie werden und müssen unter den derzeitigen Gegebenheiten ihre Schullaufbahn zu einem möglichst positiven Ende bringen.

Wie sich die Corona-Lage in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln wird, ist vollkommen offen. In Deutschland spricht man beispielsweise schon davon, den derzeitigen "Lockdown" zumindest bis Ende März 2021 verlängern zu wollen; von dieser "Overtime" wären naturgemäß auch die Schulen betroffen.

Ging man (in Österreich) bislang davon aus, dass der reguläre Unterricht am 18.01.2021 seine Fortsetzung findet, kann aus derzeitiger Sicht davon nicht mehr ausgegangen werden. Vieles deutet darauf hin, dass ein Präsenzunterricht für die AHS-Oberstufe frühestens nach dem Ende der Semesterferien stattfinden wird. Dies unter der Voraussetzung, dass die regional maßgeblichen Inzidenzzahlen (die Auskunft über die Häufigkeit von neu auftretenden Krankheitsfällen geben) ein Maß erreicht haben, das eine "sichere" Öffnung der Schulen zulässt.

Es könnte aber durchaus sein, dass das "Distance Learning" bis zum Ende des Unterrichtsjahres (für AHS-Maturanten) am 02.05.2021 als alltägliche Unterrichtspraxis Verwendung findet.

Für dieses Szenario gibt es bislang keinen Lösungsansatz des zuständigen Bundesministeriums; es gibt zwar "Regeln für die Matura und abschließenden Prüfungen 2020/21", die BM Faßmann bei einem Pressgespräch am 27.11.2020 vorgestellt hat und die durch Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung über die Vorbereitung und Durchführung abschließender Prüfungen für das Schuljahr 2020/21 (BGBl. II/2021 vom 08.01.2021) konkretisiert wurden.

Klar müsste aber sein, dass sich die "Spielregeln", nicht zuletzt aufgrund der zwischenzeitlich auch in Österreich aufgetretenen Corona-Mutationen, grundlegend geändert haben; im Sinne der "Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage" ("clausula rebus sic stantibus") müsse das zuständige Bundesministerium die Verordnung vom 08.01.2021 daher spätestens bis zum 02.05.2021 den geänderten Umständen anpassen.

Wenn es keine ausreichende, präsenzunterrichtete, Vorbereitung gibt, ein regulärer Schulbetrieb COVID-19 bedingt allenfalls bis zum Ende des Unterrichtsjahres gar nicht mehr stattfinden kann, ist eine Änderung des Verordnungsinhaltes mE in jedem Fall erforderlich.

Dies auch deshalb, weil die AHS-Maturanten des Schuljahres 2020/2021, die zum Haupttermin im Mai 2021 zur Matura antreten, ihr letztes "reguläres" Zeugnis für schulischen Leistungen im Schuljahr 2018/2019(!) erhalten haben.

Spätestens seit März 2020 ist die im Sinne der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 24. Juni 1974 über die Leistungsbeurteilung in Pflichtschulen sowie mittleren und höheren Schulen ") i.d.g.F. ("Leistungsbeurteilungsverordnung") vorgeschriebene Beurteilung des "Leistungsstandards" der einzelnen Schüler gar nicht mehr möglich. Das liegt keinesfalls am beurteilenden Lehrpersonal; vielmehr sind die digitalen Möglichkeiten bzw. Ressourcen der einzelnen Schüler so unterschiedlich, dass auch "technisch bedingte Wettbewerbsnach- oder -vorteile" Einfluss in die Leistungsbeurteilung finden müssten. Es gibt, speziell im ländlichen Bereich, immer noch zahlreiche Orte, in denen selbst ein 2G-Standard gar nicht existiert, die (vollständige bzw. durchgehende) Teilnahme an Videokonferenzen nicht am Willen der Schüler, sondern an netzbedingten Defiziten scheitert.

Daneben ist zu berücksichtigen, dass die gerätetechnischen Grundbedingungen der Schüler auch von den, sehr unterschiedlichen, finanziellen Möglichkeiten der jeweiligen Eltern abhängig sind.

Es stellt sich auch die Frage, wie aus der Ferne und in Abwesenheit der Schüler, deren Mitarbeit beurteilt werden soll bzw. kann; mündliche Prüfungen und Übungen sind seit dem Beginn des Schuljahres 2020/21 nahezu gänzlich unmöglich; das wird sich auch in den nächsten Wochen und Monaten kaum ändern. Dasselbe gilt für schriftliche Überprüfungen sowie praktische Leistungsfeststellungen.

Für all diese "Defizite" in der Leistungsbeurteilung bedarf es wohldurchdachter Korrektive, die es den Leistungsbeurteilenden unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände (u.a. psychische Beeinträchtigungen etc.) ermöglicht, zu einer adäquaten Beurteilung der individuellen Leistungen der Schüler zu kommen.

Diese Herausforderung ist erheblich größer als im Rahmen regulären Unterrichts; besondere Umstände erfordern, rechtfertigen, bekanntlich besondere Maßnahmen.

Der bisherige "Fahrplan" des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird der momentanen Situation in jedem Fall nicht gerecht. Am Minoritenplatz sind folglich Empathie und möglichst schülerfreundliche Kreativität gefordert.

BM Faßmann hat zwar heute angekündigt, ab 25.01.2021 fände, abhängig von unterschiedlichen Parametern, wieder ein, wenn auch nicht regulärer, "Präsenzunterricht" statt.

Das kann aber nicht dazu führen, dass man geflissentlich vergessen machen will, dass die Schüler des Maturajahrganges 2020/2021 in den letzten 10 Monaten gerade einmal 8 ½ Wochen den normalerweise üblichen Präsenzunterricht "genießen" durften.

Daran vermögen auch der geplanten (freiwilligen) Selbsttests nichts zu ändern; Testergebnisse sind bekanntlich nicht nur äußerst fehlerhaft, sondern bestenfalls eine Momentaufnahme; sie stellen mE vor allem in Schulen, in denen es selbst im "Schichtbetrieb" zwangsläufig zu zahllosen engen sozialen Kontakten kommt, keine taugliche Basis für das Hintanhalten negativer epidemischer Entwicklungen dar.

Chr. Brugger

13.01.2021