Ahnungslos an die Macht

19.12.2021

Ginge es nach Herbert Grönemeyer, wären es die Kinder, teilte man die Ansicht Platons, wären es, zumindest im Dialog Politeia, die Philosophen; die Realität sieht hingegen, glaubt man Wienerberger-Chef Heimo Scheuch (Interview im Kurier vom 18.12.2021), ganz anders aus: An der Macht tummeln sich mehr und mehr die Ahnungslosen; der Staat wird von kümmerlichen Dilettanten regiert.

Was sind nun die Ursachen dafür, dass sich an der Spitze der heimischen Republik nur solche Personen tummeln sollen, die dort, waltete Vernunft, nichts verloren und folglich auch nichts zu suchen hätten.

Ein Grund dafür ist sicher, dass es für die zweite Republik immanent bzw. alternativlos ist, sich zumindest auf die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei berufen zu können, um politisch als salonfähig zu gelten. Nun ist Parteizugehörigkeit zwar absolut kein Qualitätsmerkmal, dennoch das entscheidende Kriterium für "höhere Weihen". Damit unterliegt der Staat, respektive das Staatsvolk, bereits einem ersten fatalen Irrtum. Zugehörigkeit zu einer politischen Partei setzt weder Aus- noch Bildung, weder Intelligenz noch ethische Haltung oder irgend eine andere Eigenschaft voraus; nichts, rein gar nichts unterscheidet Parteizugehörige von Idiotes, Personen also, die sich von öffentlichen Ämtern ebenso fernhalten wie vom politischen Leben an sich.

Das hat zur Folge, dass ein Großteil derer, die in der Lage wären, politische Führungsfunktionen zu übernehmen, bereits an der alles entscheidenden Zugangsschranke scheitern, der Partei-Abriegelung nach außen hin, gleichsam einem Lockdown proportioneller Provenienz samt parteilichen Machtanspruch. Ginge es tatsächlich um die Suche nach den besten Köpfen, dürfte Parteizugehörigkeit kein Kriterium sein. In Österreich, wie in nahezu allen anderen Ländern auch, ist es aber völlig anders. Ohne Partei kein politisches Mandat - die Selektion hin zur "Ahnungslosigkeit" hat bereits dadurch kräftig Fahrt aufgenommen.

Dem zweiten, nicht minder schwerwiegenden, Irrtum, unterliegt man dann parteiintern. Auch hier setzen sich nicht die Besten durch, vielmehr diejenigen, die sich möglichst parteilinienkonform verhalten, um sich systemintern überhaupt durchsetzen zu können. Die Parteimühlen, gepaart mit Parteikonformismus, trennen den Weizen von der Spreu: Übrig bleibt nicht Korn, sondern lediglich Schrott - und aus diesem werden in der Folge, in verstaubten "Katerschmieden", parteipolitische Schmalspurbrötchen gebacken, die dann auf dem Markt als kohlschwarze Bundeskanzler und Bundesminister/innen etc. feilgeboten und gehandelt werden.

Verfolgt man also den Werdegang der heimischen Parteipolitelite, nimmt es nicht wunder, dass sich am Ballhausplatz 2 und andernorts fast ausschließlich Nieten die Türklinken in die Hände drücken, die Ahnungslosigkeit zur Maxime allen Handelns verkommt, dem Schwachsinn willfährig Türen und Tore geöffnet werden.

Ahnungslos durch die Nacht würde Helene F. vermutlich singen, Kinder an die Macht in jedem Fall Herbert G: Einfacher Plan, kindlich genial; Zahnlücken, statt zu unterdrücken; massenhaft ungebeugte Kraft. All das würde unserem Staat guttun - was hindert uns also daran, dem Wunsch des deutschen Barden zu entsprechen? Schlechter als die besten Parteipolitiker könnten es jedenfalls Kinder nie und nimmer machen. Selbst wenn sie ebenso nicht wüssten, was zu tun sei. Den Kindern würde man das verzeihen; auf Lukas 23,34 ("Vater vergibt Ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun") wird indes die hiesige Bundesregierung vergeblich hoffen.


Chr. Brugger

19.12.2021