Abschied
Liebe Eltern, Geschwister, Freunde,
werter Herr Direktor,
geschätzte Klassenvorstände!
Umfangreiche Dankesworte an die soeben angesprochenen Personenkreise sind ebenso üblich wie selbstverständlich, wie umfangreiche Lobeshymnen an die so glorreiche Schulzeit.
Deshalb erlaube ich mir sie, im Sinne des großen österreichischen Romanciers, Thomas Bernhard, auszusparen.
Am letzten Tag unserer Schulkarriere geht es, jedenfalls uns Maturanten, darum, stolz auf uns selbst sein zu dürfen und diesem Anlass entsprechend - mit euch allen - zu feiern.
Wir können uns darüber freuen behaupten zu können: Jeder von uns, jeder auf seine Art, ist zu einer noch größeren Persönlichkeit gereift. Scheinbar heißt es - darauf bezogen - nicht umsonst "Reifeprüfung".
Um das Geforderte, die Inhalte der einzelnen Lehrpläne zu erreichen, gab es ganz unterschiedliche Zugangsweisen, Strategien, wenn man so will.
Die einen lernen bzw. erlernen, die anderen wiederum verlassen sich auf das angeborene Talent, über das zweifelsfrei auch die zuerst genannte Gruppe verfügt.
Es handelt sich lediglich um zwei unterschiedliche Zugangsweisen, den Anforderungen zu entsprechen. Beide haben, wie man sieht, zum Erfolg geführt.
Der pandemiebedingte Fernunterricht, das sogenannte Distance Learning, hat uns allen die einzigartige Möglichkeit geboten, uns, jeder auf seine Art, individuell sohin, auf die Matura vorzubereiten.
Manche von uns betrachteten Distance sogar als Chance, sich von allen, ansonsten gültigen Schulregeln, Vorgaben und Lehrplänen völlig zu distanzieren, sozusagen Abstand zu nehmen, sich eine schöpferische Auszeit zu gönnen, um die eigenen Fähigkeiten zu stärken, den eigenen Talenten mehr zu vertrauen als den ansonsten für alle gleich geltenden Vorgaben im üblichen Normalunterricht.
Dieses, zugegeben teilweise sehr provokante Verhalten, ist bei einigen Mitgliedern unseres Lehrkörpers, für uns nicht unerwartet, auf wenig Gegenliebe bzw. Verständnis gestoßen. Wir haben das aber billigend in Kauf genommen.
Für das äußerst positive Gesamtergebnis unseres Maturajahrgangs war das, manchmal rebellisch anmutende Verhalten, jedoch völlig bedeutungslos. Die Mittel heiligen den Zweck, nicht umgekehrt.
Was ich damit zum Ausdruck bringen will:
Rahmenbedingungen sind, das wissen auch wir, für alle erforderlich. Wenn aber selbst in diesen Rahmenbedingungen, teilweise durch persönlich motivierte Vorgaben und Vorstellungen, keine individuell-kreative Entwicklung mehr möglich ist, sind Lehrpläne absurd bzw. obsolet geworden.
Insofern war im letzten Schuljahr die COVID-19 Pandemie, zumindest für uns Maturanten, mehr Segen als Fluch.
Wir konnten den Rahmenbedingungen, mit mehr oder weniger Beliebigkeit, ganz gut entkommen, uns den ansonsten für das Kollektiv geltenden Regulierungen, jeder auf seine Art, entziehen.
Das hat am Ende zu einer noch besseren Klassengemeinschaft, zu mehr Individualität, zu mehr persönlicher Entfaltungsmöglichkeit geführt.
Am Ende darf, wie immer, nur das Ergebnis zählen. Auf welche Art es erreicht wird ist dabei - mehr oder weniger - bedeutungslos.
Mathematiker würden an dieser Stelle sagen: Quod errat demonstrandum.
Wir aber sagen - und jetzt muss ich - zum Abschluss - den Dichter Horaz zitieren: Nunc est bibendum.